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Stigmatisierung und Selbstbewusstsein - ein Gastbeitrag

Stigmatisierung und Selbstbewusstsein - ein Gastbeitrag

Ein Gastbeitrag von G. L.

Ja, es gibt den Begriff der "Stigmatisierung" auch heute noch. Aber was ich daraus mache, ist einzig und allein meine Sache. Vor Jahrzehnten, als ich in einer psychosomatischen Klinik zur Kur war, habe ich peinlich genau darauf geachtet, dass in meinem Bekanntenkreis nichts bekannt wird. Später hat mir ein guter Psychologe das Buch "Seelenfinsternis" empfohlen. Es handelt von einem international bekannten Psychiater, der selbst eine schwere Depression erlebt und eindringlich geschildert hat.

Für dieses Buch und die Empfehlung bin ich sehr dankbar. Wenn eine Kapazität für den Bereich der seelischen Gesundheit selbst betroffen sein kann, brauche ich als Laie mich dafür nicht zu schämen oder zu verstecken. Natürlich ist auch Vorsicht geboten, mit wem ich über diese Dinge spreche. Im Rahmen meiner Selbsthilfearbeit ist mir immer wieder aufgefallen, dass Betroffene oft unter einem Mangel an Selbstbewußtsein leiden, aber auch das Gegenteil. Hier sollte zunächst der Unterschied zwischen dem "Ich", also dem Ego und dem "Selbst" geklärt werden. Wenn ich diesen Unterschied erkenne, bin ich auf gutem Weg zu einem gesunden Selbstbewußtsein.

Ich erkenne mich selbst mit meinen stärkeren und schwächeren Anteilen, wobei eine gesunde Selbstkritik notwendig ist. Hier kann ich einen Weg zur Ruhe, Gelassenheit und Zufriedenheit finden. Vorrangig ist die Zufriedenheit mit mir selbst, denn nur, wenn ich mit mir selbst zufrieden bin, kann ich in Frieden mit anderen leben.

Was aber ist mein Bewußtsein? Das Bewußte definiert sich - seit Freud - als Gegensatz zum Un- oder Unterbewußten. Ich erkenne durch Sinneswahrnehmung einen bestimmten Gegenstand und entwickle dazu eine bestimmte Vorstellung, evtl. eine von mir ausgehende Bewertung. Da meine Wahrnehmumgsfähigkeit beschränkt ist, kann dasselbe Objekt von einem anderen Betrachter vollkommen anders gesehen werden.

Was also ist wahr oder unwahr? Noch schwieriger wird die "Wahrheitsfindung" bei Vorgängen, die ich zwar erlebt, aber - gleich aus welchen Gründen - in mein Unterbewußtsein verdrängt habe. Dazu gibt es entweder gar keine oder nur eine äußerst vage Vorstellung, wobei mir vielleicht der Tiefenpsychologe helfen kann.

Daraus ergibt sich, dass sowohl mein Ich (oder Ego) als auch mein Bewußtsein auf äußerst ungenauen Prämissen beruhen. Eine der Wirklichkeit entsprechende Einordnung ist also schwierig. Es sollten also nicht nur eigene Erfahrungen und Einsichten, sondern auch die Erkenntnisse von Anderen berücksichtigt werden. Der Trialog zwischen Betroffenen, Angehörigen und Fachleuten (manche sprechen von Profis) ist unbedingt notwendig.

Für mich selbst ergibt sich - wie schon angesprochen - die Möglichkeit, eine neue Souveränität (oder Wirklichkeit) zu finden.

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